1. Von 1608 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

Die Anfänge des gesamten Schützenwesens reichen in ihren Ursprüngen bis weit ins Mittelalter zurück. Besonders im 16. und 17. Jahrhundert war die Bevölkerung auf dem flachen Lande – anders als in den relativ sicheren Städten – während der zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen in dieser Zeit Überfällen herumstreifender Landsknechte mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Die Landesherren taten nur wenig für den Schutz ihrer Untertanen, da die Staatskassen schon damals meist unter chronischen Geldmangel litten.

Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg legte der Fürstbischof von Münster, Christoph Bernard von Galen, die Grundlagen für einen gewissen Schutz der Bevölkerung. Er ordnete an, dass jeder dienstfähige Einwohner im Amt Vechta sich aus eigenen Mitteln mit einem Gewehr versehen musste. Jedem Kirchspiel wurde ein ausgedienter Soldat zugewiesen, der die wehrfähigen Männer des Ortes im Exerzieren und Schießen unterweisen musste. Im angrenzenden Hochstift Osnabrück, zu dem auch das Dorf Damme gehörte, erließ der Fürstbischof Franz Wilhelm van Wartenberg im Jahr 1657 eine Verordnung, die besagte, dass

 „alle alten…, bei vorigen unruhigen Zeiten etwa zerfallene Gebräuche wieder erneuert und in gangk gepracht, … damit sich die Mannschafft im schießen üben und exerieren, auch auff allen erforderden Fall… mit dem Gewehr desto beßer umbgehen und ersprießliche Dienste leisten möge…. Erstlich sollen Underthanen jahrliches an den Orth und wo es von alters bei jeden gewesen auch dass Vogelschießen halten…. Das Schießen soll järliches … zwischen Ostern und Jacoby (25. Juli) … gehalten werden…. An solchen bestimmten tagh, stundt undt orth sollen die Eingesessenen … mit ihrem Gewehr, darauffsie von alters gesetzet, erscheinen…. Die Stange soll vorhin bereitet und gegen benandten tag auff dem platz fertig liegen…. Wens nun zum schießen kombt, soll ein silberner Vogell, welcher bey jedes orths Vogelschießen beschafft, … an der Stangen aufgehangen werden…. Derjenige, welcher dan nach gefellten Urtheil den Vogel hergebracht haben wirdt, … soll hingegen von den gemeinen lauffenden aufflagen, alß Wachten, Eisen, Wolfsjagden und dergleichen personalleistungen, … frey sein … und soll derjenige, so den Vogel gefellet, soll nach altem Gebrauch Koningk genamet werden.“ (1)

Das Königsschießen war nach diesem Dokument also wohl schon in früheren Zeiten verbreitet. Auch in Lohne soll bereits im Jahr 1608 ein Vogelschießen stattgefunden haben, wo die Straßen nach Dinklage und Bakum sich teilen, also etwa an der Stelle des heutigen Hauses Uptmoor. (2)

Das Schützenwesen mit dem Königsschießen hielt sich an vielen Orten noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein; im Laufe der Zeit trat der militärische Charakter jedoch immer mehr in den Hintergrund. Um 1800 waren diese Einrichtungen in einigen Städten wie in Vechta oder Wildeshausen in Schützengesellschaften oder -gilden übergegangen; auf dem Lande war die Tradition des Vogelschießens in den meisten Dörfern erloschen. Vor allem der örtliche Landadel hatte es nur ungern gesehen, dass die leibeigenen Bauern Waffen besaßen; anscheinend war die Versuchung recht groß, in den adeligen Jagdrevieren zu wildern.

  1. Jahrhundert

Erst im 19. Jahrhundert kamen Schützenfeste wieder in Mode.

In Lohne wurde wohl im Jahr 1836 erstmals wieder ein Königsschießen abgehalten. Über die äußeren Umstände in den ersten Jahren ist nichts bekannt, da keine schriftlichen Quellen erhalten blieben. Seit diesem Jahr ist das Lohner Schützenfest jedoch regelmäßig gefeiert worden, allerdings war der äußere Ablauf in den ersten Jahrzehnten wohl nur locker geregelt.

Im November 1886 wurde dem Schützenverein aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens vom Großherzog von Oldenburg eine neue Fahne geschenkt. Wie damals vermerkt wurde, war

„dieselbe aus weißer Seide gefertigt und führt an der einen Seite das Oldenburger Wappen mit der Umschrift:’Ein Gott, ein Recht, eine Wahrheit‘. Auf der anderen Seite die Schützenembleme mit der Umschrift:’Ueb Aug‘ und Hand für’s Vaterland‘.“(3)

Diese Fahne wurde nun alljährlich beim Festumzug mitgeführt, bis sie 1923 durch eine neue Fahne ersetzt wurde, weil die alte ehrwürdige Fahne

„in Ehren ergraut ist und nur noch als teures Erinnerungsstück an einstigen große Zeiten gelten kann.“ (4)

Großherzog Nikolaus Friedrich Peter von Oldenburg (1827 -1900) regierte bereits seit 1853 das Großherzogtum. Dass er als Landesvater auch in Südoldenburg sehr beliebt war, zeigte zum Beispiel del Aufwand, mit dem er am 17. Juli 1886 in Lohne begrüßt wurde, als er den Ort auf dem Weg nach Holdorf passierte. Der Großherzog war mit der Eisenbahn bis Vechta gereist und setzte seinen Weg von hier an mit dem Wagen fort. Die Vechtaer Zeitung berichtete am folgenden Tag:

„Der gestrige Tag war für uns ein Festtag, welcher noch lange in unserer Erinnerung bleiben wird, er galt unserem allbeliebten Landesvater Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Oldenburg, Höchstwelcher von Vechta kommend Lohne, Steinfeld, Osterfeine Dümmerlohhausen, Damme und Holdorf passierte. Seine Königliche Hoheit wurde an der Vechtaer-Lohner Gemeinde-Grenze vom Gemeindevorstande und mehreren Lohner Bürgern, welche beritten und zu Wagen Aufstellung genommen hatten, empfangen und bewillkommnet. Zu Anfang des Orts Lohne, welcher einem Blumenparke glich, war ein riesiger Ehrenbogen errichtet, hier hatte sich unser Kriegerverein mit seiner kostbaren neuen Fahne aufgestellt, und geruhten Seine Königliche Hoheit auszusteigen und an verschiedene Kameraden freundliche Worte zu richten; namentlich erkundigte sich Höchstderselbe, wie viele Mitglieder der Verein zähle und wann er gegründet sei, wünschte demselben ein ferneres Gedeihen und langes Bestehen; sodann brachte der Vorstand desselben auf seine Königliche Hoheit ein 3-faches Hoch, und er ging weiter durch die Linden- und Langenstraße, welche über 500 Flaggen und Fahnen ausgehängt hatten und mit neun großen Ehrenbogen, unzähligen Guirlanden und bewundenen hohen Säulen geschmückt und feenhaften Anblick boten. Es waren zwei Großherzogliche Wappen (Standarten) mit Blumen, Palmen und Fähnchen sehr sinnreich und künstlich ausgestellt. – Im ersten Ehrenbogen war ein Brustbild Seiner Königlichen Hoheit von unserem Bildhauer Herrn Benker in zwei Stunden gezeichnet und besonders schön und ähnlich gelungen, darunter die Inschrift: ‚Willkommen! Heil unserm geliebten Fürsten und Landesvater!‘ – Im zweiten Bogen hing ein Großherzogliches Wappen, von demselben Künstler angefertigt mit der Inschrift: ‚Treue Liebe unserm Fürstenhause.‘ – Im dritten Bogen las man: ‚Willkommen! und Gott segne für und für Dein Walten! Er möge Dich uns noch lang erhalten!‘ – Beim vierten Bogen (der sog. Kronenbogen) hatten sich unsere Hochwürdige Geistlichkeit und die Lehrer mit der Schuljugend aufgestellt. – Herr Pastor Holzenkamp hielt eine längere herzliche Ansprache und brachte auf Seine Königliche Hoheit ein dreifaches Hoch, worauf die Schuljugend in ergreifender Weise das Lied: ‚Heil dir, o Oldenburg‘ sang. Einen hübschen Eindruck machte die Reihe der Mädchen, die in roten und blauen Kleidern (nach der Landesfarbe) aufgestellt waren. Von hier ging es durch die Langenstraße, wo im letzten oder neunten Bogen ‚Auf Wiedersehen‘ stand. Bemerkt wird noch, dass fortwährend Blumenbouquetts Seiner Königlichen Hoheit gespendet, mit allen Glocken geläutet und mit Böllern geschossen wurde. Vom Thurme wehten 2 Riesenflaggen. – Wir verlassen nun den Ort Lohne, passieren durch Südlohne, wo ebenfalls an vielen Stellen sehr schöne Ehrenbogen errichtet, bei welchen Seine Königliche Hoheit überall halten ließ und Sich u. A. nach den Schulverhältnissen etc. etc. beim Lehrer Fortmann, welcher ebenfalls mit der Schuljugend sich aufgestellt hatte, erkundigte. – An der Steinfelder Grenze geruhten Seine Königliche Hoheit noch Sich in huldvoller Weise mit dem Gemeindevorsteher zu unterhalten. Höchstderselbe sprach Seine besondere Anerkennung und herzlichen Dank für den feierlichen Empfang aus, mit dem hohen Auftrage, denselben den sämtlichen Lohnern in Höchstdessen Namen auszusprechen, worauf ein 3faches Hoch auf Seine Königliche Hoheit für Lohne den Abschied brachte. Der Triumphzug, vom schönsten Wetter begünstigt, wird uns unvergeßlich bleiben.“(5)

Möglicherweise wurde der Großherzog während dieses Besuchs auf das fünfzigjährige Bestehen des Schützenvereins aufmerksam gemacht. Die Schenkung der Fahne war der Anlass, den Schützenverein, bis dahin nur eine lockere Gemeinschaft, in eine Schützengesellschaft umzuwandeln.

  1. Schützengesellschaft seit 1887

Auf der Schützenversammlung im Juni 1887 verpflichteten sich 125 Lohner Bürger durch Unterschrift zur festen Mitgliedschaft.(6) Die neue Fahne wurde Schützenfestsonntag des gleichen Jahres, am 3. Juli 1887, feierlich eingeweiht.(7)

Am Schützenfest beteiligten sich im vorigen Jahrhundert in erster Linie die Bürger im Ort Lohne: Fabrikanten, Kaufleute, Handwerker und Bauern. Die unteren Bevölkerungsschichten, Arbeiter, Heuerleute und Dienstboten, beschränkten sich hauptsächlich auf die Rolle der Zuschauer und Besucher des Festplatzes.

  1. Lohne und Lohner Schützenfest im Jahr 1894

Das Kirchspiel Lohne war im Jahr 1894 eine relativ wohlhabende Landgemeinde mit etwa 4500 Einwohnern, von denen etwa 1300 im engeren Ortsbereich wohnten. Der weitaus größere Teil lebte noch in den umliegenden überwiegend landwirtschaftlichen geprägten Bauernschaften. Durch die schon früh eingesetzte Industrialisierung im Kirchdorf Lohne gab es hier zahlreiche wohlhabende Kaufmanns- und Handwerkerfamilien. Vor hundert Jahren bestanden bereits etwa 30 größere Fabriken, wobei die Tabakverarbeitung und Zigarettenfabrikation noch eine führende Rolle spielte und über 100 Handwerksbetriebe. Durch den hohen Grad der Industrialisierung verfügten auch viele Arbeiterfamilien über ein regelmäßiges Einkommen und standen finanziell meist besser da als die zahlreichen Heuerleute in den Bauernschaften und umliegenden Gemeinden.

  • Uhrmacher Caspar Müller
  • Kupferschmied und Kirchenprovisor
  • Garnfabrikant Louis Engelmann
  • Clemens Willenbrink
  • Kaufmann Hermann Ellerhorst
  • Barbier Heinrich Heseding
  • Zigarrenfabrikant August Burhorst
  • Kötter und Gastwirt Bernard Römann
  • Likörfabrkant Richard Heitmann
  • Malermeister Clemens Riesselmann
  • Hutmacher Heinrich Schürmann
  • Sattlermeister Johann Dehlwisch
  • Kaufmann Julius Engelmann

Als Kassierer war das Kommiteemitglied Heinrich Heseding, als „Secretair“ (=Schriftführer) der Kaufmann Wilhelm Beckmann tätig. Als Termin für das Schützenfest wurde der 1. und 2. Juli 1894 festgelegt. Auf der Kommiteesitzung am 14. Juni wurde allerdings beschlossen,

 „dass aus Rücksicht der Wallfahrt nach Kevelaer am 2. dieses Jahres, das diesjährige Schützenfest statt am 1. und 2. Juli am 24. und 25. Juni gefeiert werden sollte.“(8)

Zu der Wallfahrt waren weit über 500 Teilnehmer angemeldet, die hauptsächlich aus Lohne und Vechta kamen. Seitdem Lohne an das Eisenbahnnetz angeschlossen war – die Bahnlinie von Oldenburg bis Vechta war 1885 fertiggestellt und 1888 bis Lohne verlängert worden – war diese Wallfahrt bei der Bevölkerung sehr beliebt. Die Abfahrt des Sonderzuges erfolgte am 2. Juli, morgens um 4.30 Uhr vom Lohner Bahnhof aus; die Teilnehmer wurden am 3. Juli um 22.30 Uhr in Lohne zurückerwartet.(9)

Der äußere Rahmen des Schützenfestes lief schon vor hundert Jahren ähnlich ab, wie es heute noch der Fall ist. Als Vereinsbeitrag wurde eine Reichsmark erhoben, eine weitere Mark wurde für die Teilnahme am Königsschießen bezahlt. Der ordnungsgemäße Schützenanzug bestand aus Schützenhut, Abzeichen und Gewehr. Am Königsschießen konnte nur teilnehmen, wer diese Bedingungen erfüllt hatte und an beiden Tagen ausmarschiert war.

Die verschiedenen Ämter der Schützengesellschaft während des Schützenfestes wurden meist in jedem Jahr neu besetzt. 1894 wurde der Kaufmann und Weinhändler Marcell Römann zum Kommandanten der Schützen gewählt. Daneben gab es einen Platzkommandanten und einen Adjutanten. Auch die Fähnriche wurden jährlich neu gewählt. Das Amt des Tambourmajors, der als wichtige Persönlichkeit mit einem fransenbesetzten Stock, dem Tambour dem Festumzug voranschritt, übernahm Bäckermeister Bernard Buken bereits zum zweiten Mal.

Der Festzug begann am Sonntag, dem 24. Juni auf dem Marktplatz (heute Alter Markt). Der Umzug erfolgte dann mit geringen Abweichungen in etwa über die Straßen, die auch heute noch die traditionelle Strecke zum Schützenplatz bilden. Vor dem Abmarsch zum Festplatz wurden noch drei Böllerschüsse abgefeuert. Vom Marktplatz ging es zunächst in Richtung Bahnhofstraße, an den Höfen Bröringmeyer (heute Neuer Markt) und Küstermeyer vorbei, über die Keetstraße zurück zum Marktplatz und schließlich über die Marktstraße und den Brink zum Festplatz.

Der Schützenplatz befand sich ursprünglich noch nicht am jetzigen Ort, sondern abseits der Straße hinter dem Sportplatz, unterhalb des 1908 errichteten Aussichtsturmes. Um die Mitte des vorigen Jahrhundert bestand noch das ganze Gebiet östlich der Straße nach Steinfeld zwischen der jetzigen Josefstraße und Südlohne aus unkultivierten Heideflächen; erst um 1900 begann man hier mit der Aufforstung. So wurde 1886 berichtet:

„Der höchste Punkt an Lohne ist der sog. Grevingsberg, im Osten gelegen; es war von jeher der Wunsch aller, derselbe möge doch mal endlich bepflanzt werden, damit die Ostwinde, die oft so sehr empfindlich über das Moor und die kahle Höhe streichen, gebrochen resp. abgehalten würden, endlich hat der Herr Pastor Holzenkamp sich einen allgemeinen Dank verdient, indem derselbe die ganze Fläche mit Fuhren hat bestellen lassen.“ (10)

Der Schützenplatz, auf dem das Königsschießen stattfand, befand sich anfangs auf offenem Gelände, das sonst kaum genutzt wurde. Die Wirtschaft auf dem Festplatz wurde jährlich auf der Schützenversammlung an einen Lohner Wirt vergeben, der für ein gutes Zelt, gute Bedachung, ordentliche, trockene Sitzplätze, gute Getränke, Bedienung und Beleuchtung, etc. zu sorgen hatte. 1891 wurde festgelegt, dass die Wirtschaft nicht unter 100 Reichsmark vergeben werden sollte. In den ersten Jahrzehnten gab es beim Schützenplatz noch kein festes Gebäude.

Exkurs: Der Schützenhof

Erst im Jahr 1866 errichtete der Zeller Johann Heinrich Debering (1822 – 1891) aus Carum an der „Chaussee von Lohne nach Steinfeld“ am Ort des heutigen Schützenhofes ein Haus. Zeller Debering betrieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von seinem Hof in Carum aus einen schwunghaften Wein- und Spirituosenhandel. Der Wein wurde aus der Gegend um Bordeeaux in Südfrankreich bezogen und mit zwei Pferdefuhrwerken an Kunden im weiten Umkreis geliefert. In den noch erhaltenen Geschäftsbüchern finden sich neben Lieferungen in die nähere Umgebung Kunden im Raum Cloppenburg, im Saterland, in Löningen, Quakenbrück und Ankum sowie im Raum Diepholz bis Twistringen und Harpstedt. Neben dem Haus bei Lohne war Zeller Debering zeitweise auch Besitzern der Gaststätte Petersburg bei Vechta.

Bereits im Jahr 1869 wurde das Haus bei Lohne erweitert. Zeller Debering hatte hier vermutlich ein Lager für seine Kunden in Lohne angelegt. Anfangs war mit dem Haus keine Wirtschaftskonzession verbunden, diese wurde erst später dem Pächter erteilt. Die Gastwirtschaft war zunächst an den Kaufmann Heinrich Kreymborg (1833 – 1898) verpachtet. Dieser war ein Enkel von Gerhard Heinrich Kreymborg (1769 – 1833), dem Begründer der industriellen Schreibfederherstellung in Lohne. Als Kaufmann war er häufig und lange geschäftlich auf Reisen – er starb im Jahr 1898 in Rio de Janeiro – seine Ehefrau Lisette (eigentlich Elisabeth Clementine) geb. Kokenge (1830 – 1900) verwaltete inzwischen die Geschäfte in Lohne und betrieb nebenher die Gastwirtschaft an der Steinfelder Straße. Schon nach kurzer Zeit erwarb Heinrich Kreymborg das Haus vom Zeller Debering – das genaue Datum konnte allerdings nicht festgestellt werden. Das Gebäude war auf Gründen des Gutes Brettberg errichtet worden, der Grund und Boden, worauf das Haus stand, blieb zunächst im Besitz des Gutes.

Beim Schützenhof befand sich früher ein Schlagbaum, der Gastwirt war als Wegewärter für die Hebung zuständig und berechtigt, von jedem vorbeifahrenden Fuhrwerk das vorgeschriebene Chausseegeld einzunehmen. Es betrug 1894 für ein beladenes Fahrzeug pro Zugtier 10 Pfennige, für ein unbeladenes Fuhrwerk 7 Pfennige. Befreit vom Wegegeld waren neben den jeweiligen Bewohnern des Ortes Amtspersonen und Leichenfuhren. Mit den Einnahmen an den Schlagbäumen wurde der Straßenbau finanziert. Im Jahr 1907 wurde die Erhebung des Wegegeldes im Kreis Vechta eingestellt. Im Jahr 1886 rief ein Überfall auf den damals noch relativ abgelegenen Schützenhof in Lohne große Aufregung hervor, bei dem Lisette Kreymborg und ihre Tochter schwer misshandelt wurden:

„In der Nacht vom 30. auf den 31. December wurde hier ein Raubattentat, wie es hier in der Gegend wohl noch nicht vorgekommen, verübt. Um 12 Uhr in fraglicher Nacht haben 2 Strolche, die sich tagsüber hier bettelnd herumgetrieben, bei Frau Lisette Kreymborg im Chausseehause, an der Straße von Lohne nach Steinfeld, ihr Unwesen trieben. Nachdem selbe sich den Eingang ins Haus durch ein Fenster verschafft und angefangen im Haus aufzuräumen, erwacht Frau Kreymborg und geht aus der Kammer; so wie die Banditen dieselbe sehen, bringen sie ihr zwei lebensgefährliche Schnittwunden am Kopfe bei, maltretieren sie durch Schläge, Tritte und fernere Stiche; ihre Tochter springt der Mutter bei, selbe wird ebenfalls ganz unmenschlich behandelt, flüchtet aus dem Hause, um irgend Hülfe zu holen, wird aber von den Räubern wieder eingeholt und in’s Haus geschleppt, wobei die Mißhandlungen auf barbarische Weise fortgesetzt werden. Darauf zwingen diese Unmenschen die beiden wehrlosen, mit Blut überströmten Frauen, sich ruhig zu verhalten, und gestatten ihnen nicht, in der kalten Nacht Kleider anzulegen. Wie nun Geld und alle Wertsachen, die sich im Hause vorfanden, erpreßt sind, setzen sich die Räuber unter Hohngelächter hin und trinken Schnaps, Arrac und zu guter Letzt noch eine Flasche Wein, zu der sie Mettwürste verzehren und Cigarren verlangen. Der Aufenthalt währte 1 1/2 Stunde. Die Banditen verabschiedeten sich gute Nacht wünschend. In der Morgenstunde wurde den so schwer verwundeten Frauen die erste Hülfe zuteil. Obgleich die Überfallenen ziemlich genau das Signalement angeben konnten, weil ein Licht im Haus gebrannt hat, ist es bis jetzt nicht geglückt, irgend eine Spur der Unholde zu entdecken. Frau Kreymborg schwebt noch in Lebensgefahr, wohingegen die Tochter sich etwas wieder erholt hat.“ (11)

Nach der Errichtung des Schützenhofes wurde der Festplatz während des Schützenfestes immer häufiger in die Nähe der Gastwirtschaft verlegt. Im Jahr 1888 verkaufte der Gutsbesitzer Theodor Gellhaus einige Ländereien vom Gut Brettberg, wodurch mehrere Eignerstellen in Südlohne entstanden. Lisette Kreymborg erwarb vom Gut Brettberg das Grundstück, auf dem ihr Haus stand, den heutigen Schützenplatz. Für die Summe von 20 RM stellte sie künftig diesen Platz der Schützengesellschaft bzw. dem Schützenwirt zur Verfügung und verpflichtete sich, soweit sie den Zuschlag für die Schützenwirtschaft nicht selbst erhielt, während des Schützenfestes keine Speisen und Getränke auszuschenken.

Im Jahr 1888 hatte Wilhelmine Kreymborg Joseph Balthasar Feusi geheiratet, der aus Freienbach am Zürichsee in der Schweiz stammte und bis dahin als Molkereidirektor in Südlohne angestellt war. Die fünf Söhne der Familie Kreymborg waren als Geschäftsleute ins Rheinland und nach Holland verzogen. Joseph Feusi übernahm später mit seiner Frau die Gastwirtschaft und wurde Wirt im Lohner Schützenhof.

Im Jahr 1904 verkauften die Eheleute Feusi den Schützenhof und den dazu gehörenden Platz an die Lohner Schützengesellschaft und verzogen wenig später in die Schweiz. Pächter der Wirtschaft und Verwalter des Schützenplatzes wurde Schneidermeister Clemens Burschey. Während dessen langjähriger Pachtzeit bis 1927 wurde der Schützenhof zu einem beliebten Ausflugsziel, besonders nach der Errichtung des Aussichtsturmes im Jahr 1908. Bereits 1906 waren am Schützenhof ein neuer Saal und eine Kegelbahn angebaut worden. Auf dem Schützenplatz wurden zahlreiche Obstbäume und auch die heute noch stehenden Linden gepflanzt. 1927 beendete Burschey das Pachtverhältnis und erwarb ein Haus an der Brinkstraße. Im gleichen Jahr wurde das alte Wohnhaus des Schützenhofes abgebrochen und durch einen Neubau – den heutigen Schützenhof – ersetzt. Durch diesen Bau geriet die Schützengesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten und verkaufte den Schützenhof 1928 an Maurermeister Johann Fahling aus Lohne. Die Gastwirtschaft wurde weiterhin verpachtet, der Wirt wechselte nun jedoch mehrfach innerhalb weniger Jahre. 1968 erwarb der Kaufmann Friedrich Nordmann aus Wildeshausen den Schützenhof, seit 1979 ist die Stadt Lohne Eigentümerin. Nach diesem kurzen Exkurs zur Geschichte des Schützenhofes zurück zum Schützenfest im Jahr 1894.

Wie heute fand das Schützenfest im Festzelt statt. Auf dem Festplatz gab es zur Unterhaltung der Gäste mehrere Kuchenbuden, eine Fischbude, einen Schießstand und schon seit 1887 ein Karussell. Ein Glas Bier wurde seinerzeit noch für zehn Pfennige verkauft, eine Tasse Kaffee für 15 Pfennige, Brause für 20 Pfennige; eine „Portion“ Butterbrote kostete 25 Pfennige und Kartoffelsalat mit Würstchen 45 Pfennige.

Am Schützenfestsonntag begann für die Schützen gleich nach dem Eintreffen auf dem Festplatz das Königsschießen. Die ersten drei Schüsse wurden vom vorjährigen Schützenkönig im Namen des Landesherrn, des Großherzogs Nikolaus Friedrich Peter von Oldenburg, abgegeben. Anschließend gab jeder Schütze den ersten Schuss im Wettstreit um die Königswürde ab. Es nahmen etwa 10 Schützen am Königsschießen teil. Währenddessen gab es auch mehrere Wettbewerbe für Kinder. Für die Kinderbelustigung wurde schon damals aus der Schützenkasse regelmäßig eine bestimmte Summe zum Ankauf von Preisen zur Verfügung gestellt.

Am folgenden Montag, dem 25. Juni, begann der Haupttag des Schützenfestes erneut mit der Aufstellung der Schützen auf dem Marktplatz und dem anschließenden Festumzug. Der Schützenkönig mit seinem Gefolge und der Vorstand der Schützengesellschaft nahmen im Kutschwagen am Festzug teil. 1893 hatte der Kaufmann Richard Beckmann als bester Schütze das Königsschießen gewonnen; zur Königin hatte er seinerzeit Ida Bramlage gewählt, Tochter des Lederfabrikanten Joseph Bramlage auf dem Keet (Schützenkönig 1856). Richard Beckmann heiratete 1895 Louise Sapper, Tochter des Pinsel- und Bürstenfabrikanten Johann Andreas Sapper von der Lindenstraße und ließ sich als Kaufmann in Lohne nieder – Ida Bramlage heiratete im gleichen Jahr Gerhard Kreymborg vom Schützenhof, der als Kaufmann in Herzogenbosch in Holland ansässig war.

Nach der Ankunft auf dem Schützenplatz begann umgehend die Fortsetzung des Königsschießens. Jeder Schütze musste noch zwei Schüsse abgeben. Nach der Beendigung des Schießens und mehrfachem Stechen konnte als bester Schütze der Zigarrenfabrikant Friedrich Wilhelm Haller die Königswürde erringen und seinen Vorgänger und Schwager als Schützenkönig ablösen.

Friedrich Wilhelm Haller war am 1. September 1853 als Sohn des Fabrikanten Johann Friedrich Haller und seiner Frau Elisabeth Focke in Osnabrück geboren und „lutherischer Confession“. Im Jahr 1878 hatte er sich in Lohne niedergelassen und mit einem Teilhaber namens Thiemann aus Bremen eine Zigarrenfabrik gegründet. Im gleichen Jahr 1878 hatte er Laura Beckmann geheiratet, Tochter des Fabrikanten Bernard Beckmann und der Josephine Buschmann aus Lohne. Haller errichtete an der Lindenstraße ein großzügiges Wohn- und Geschäftshaus und beschäftigte später etwa 30 Arbeiter, die teilweise in Heimarbeit Zigarren herstellten. Die Zigarrenfabrikation florierte offenbar, denn wenig später besaß die Firma F. W. Haller Verkaufsfilialen in Osnabrück, Oldenburg, Delmenhorst, Bremerhaven und Emden. Hallers Teilhaber Thiemann trat nach wenigen Jahren aus der Firma aus und Rudolph Haller, bis dahin Bankbeamter in Osnabrück, trat in das Geschäft seines Bruders ein. Rudolph Haller hatte schon früher gelegentlich in Lohne Aufsehen erregt, wenn er mit seinem Hochrad von Osnabrück nach Lohne kam, um seinen Bruder zu besuchen. Friedrich Wilhelm Haller wurde 1894 bereits zum zweiten Mal Schützenkönig der Lohner Schützengesellschaft – im Jahr 1882 hatte er schon einmal die Königswürde errungen. 1887 wurde sein Bruder Rudolph Haller Schützenkönig.

Im vorigen Jahrhundert war es durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein Schütze mehrfach Schützenkönig wurde. Den Rekord stellt wohl der Flachs- und Garnfabrikant Anton Bramlage (1816-1913) auf, der in den Jahren 1841, 1846, 1847 und 1854 König der Lohner Schützen war.

Nachdem der neue Schützenkönig feststand, wurde die Königin von den „Hofdamen und Hofcavalieren“ feierlich eingeholt. Leider ist deren Name nicht überliefert – der Schützenkönig war bereits seit 1891 Witwer. Nach der offiziellen Thronbesteigung, der Huldigung durch die Schützen und dem Königsmarsch begann der große Schützenball im Festzelt. Für die richtige Stimmung sorgten dabei der Kapellmeister Friedrich Halfbrod und seine Kapelle aus Mariendrebber, die schon über mehrere Jahre die Musik auf dem Festplatz stellten. Am späten Abend wurde zur Feier das Tages ein großes Feuerwerk veranstaltet, anschließend wurde der Ball bis zum frühen Morgen fortgesetzt.

Als Besonderheit bleibt noch zu bemerken, dass Friedrich Wilhelm Haller für zwei Jahre Schützenkönig blieb. Auf der Schützenversammlung „im Schützenhause auf der Heide“ am 3. Juni 1895 wurde beschlossen, „dass aus Rücksicht der stattfindenden Tierschau in diesem Jahr kein Schützenfest gefeiert werden solle“.

Das nächste Schützenfest wurde in Lohne erst im Jahr 1896 gefeiert, Haller wurde jetzt vom Kaufmann Heinrich Burhorst und seiner Ehefrau Mathilde geb. Kreymborg als Schützenkönig abgelöst. Im Jahr 1899 verkaufte Friedrich Wilhelm Haller seine Zigarrenfabrik wegen finanzieller Schwierigkeiten für 38.500 RM an den Kaufmann Theodor Rogge aus Braunschweig und zog mit seiner Familie nach Atens in Butjadingen (heute Teil der Stadt Nordenham). Die drei Töchter lebten später in Husum, Lübeck und Krefeld. Die Firma Rogge geriet bereits 1906 in Konkurs; Rogge selbst zog wieder nach Braunschweig, die Firma wechselte später mehrfach den Besitzer.

Quellen:

  1. Heimatblätter Jahrgang 1988, Nr. 4, Seite 2
  2. 375 Jahre Schützenverein Lohne 1608 – 1983, Lohne 1983, Seite 112
  3. Vechtaer Zeitung 19. November 1886
  4. 125 Jahre Schützenverein Lohne i. O. 1836 – 1961, Lohne 1961, Seite 14
  5. Vechtaer Zeitung 20. Juli 1886
  6. 125 Jahre Schützenverein Lohne, Seite 8
  7. Vechtaer Zeitung 1. Juli 1887
  8. 375 Jahre Schützenverein Lohne, Seite 128
  9. Vechtaer Zeitung 21. Juni 1894
  10. Vechtaer Zeitung 6. August 1886
  11. Vechtaer Zeitung 4. Januar 1887
  12. 125 Jahre Schützenverein Lohne, Seite 8